Praktischer Leitfaden zum CTD/eCTD-Dossier: Arzneimittelzulassung
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CTD/eCTD-Dossier: Praktischer Schritt-für-Schritt-Leitfaden zur Arzneimittelzulassung
Das Zulassungsdossier als „Fertigprodukt“
Für Fachkräfte im Bereich Regulatory Affairs (RA) ist nicht die Tablette das eigentliche „Endprodukt“, sondern das Zulassungsdossier.
Bevor internationale Harmonisierung existierte, bedeutete die Einreichung eines Arzneimittels in mehreren Ländern, vollständig unterschiedliche Dossiers zu erstellen – jedes mit eigenen Formaten und Anforderungen. Ein logistischer Albtraum und ein enormer Zeitverlust.
Mit der Einführung der ICH-Leitlinie M4 hat sich alles verändert: das Common Technical Document (CTD) ist zum globalen Standardformat geworden. Heute ist das CTD (und seine elektronische Version, das eCTD) das universelle Format, akzeptiert von EMA, FDA, PMDA und vielen anderen Behörden.
Das Beherrschen seiner Struktur und seines „Lifecycle Management“ ist eine Kernkompetenz jeder RA-Fachkraft.
Dieser praktische Leitfaden erklärt Schritt für Schritt, wie man ein CTD/eCTD-Dossier erstellt, einreicht und verwaltet.
Phase 1: Festlegung der Strategie (Zulassungsverfahren)
Noch bevor der Modul 1 geschrieben wird, muss der RA die geeignete Zulassungsstrategie festlegen. In Europa stehen folgende Verfahren zur Auswahl:
- Zentralisiertes Verfahren (CP): Ein einziges Dossier wird an die EMA eingereicht. Nach Genehmigung ist die Zulassung in der gesamten EU gültig. Obligatorisch für innovative Arzneimittel (Biotech, ATMP, Orphan Drugs).
- Dezentralisiertes Verfahren (DCP): Gleichzeitige Einreichung in mehreren EU-Staaten, mit einem Reference Member State (RMS), der die Bewertung leitet.
- Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (MRP): Wird verwendet, wenn bereits eine nationale Zulassung (RMS) besteht und diese auf andere CMS ausgeweitet werden soll.
- Nationales Verfahren (NP): Selten für neue Produkte; genutzt für Produkte mit rein nationalem Markt.
Die Wahl hängt von Produktart, Geschäftsstrategie und gewünschter Time-to-Market ab.
Phase 2: Aufbau des Dossiers (Die 5 Module des CTD)
Der Kern der RA-Arbeit besteht darin, Tausende Seiten wissenschaftlicher Daten in die strukturierte CTD-Architektur einzufügen.
Modul 1: Administrative und regionale Informationen
Einziger nicht harmonisierter Modul. Enthält:
- Antragsformulare (EU: eAF)
- Angaben zum Antragsteller und zu Herstellstandorten (GMP-Zertifikate, Lizenzen)
- Kennzeichnung: SmPC/RCP, PIL/FI, Etiketten
- Verpflichtungserklärungen (PIP, Orphan Drug, etc.)
Modul 2: Zusammenfassungen (Overviews & Summaries)
Das strategischste Modul – es schafft den ersten Eindruck bei den Gutachtern.
- 2.3 Quality Overall Summary (QOS)
- 2.4 Non-clinical Overview
- 2.5 Clinical Overview
- 2.6/2.7 Non-clinical/Clinical Summaries
Modul 3: Qualität (CMC – Chemistry, Manufacturing and Controls)
Beschreibt Herstellung und Qualitätskontrolle.
- 3.2.S – Wirkstoff (API): Herstellung, Spezifikationen, Verunreinigungen, Stabilität
- 3.2.P – Fertigarzneimittel: Entwicklung, Zusammensetzung, Herstellprozess, IPCs, Freigabespezifikationen, Stabilitätsdaten
Modul 4: Nicht-klinische Studien (Sicherheit)
Alle GLP-Studien:
- Pharmakologie
- ADME
- Toxikologie (akut, subchronisch, chronisch, genotoxisch, reproduktiv etc.)
Modul 5: Klinische Studien (Wirksamkeit)
Alle Clinical Study Reports (CSR) gemäß ICH E3:
- Phase I
- Phase II/III („pivotal studies“)
- Post-marketing-Studien (falls relevant)
⚠️ Achtung: Inkonsistenzen zwischen Modulen
Ein häufiger und kritischer Fehler, der fast immer zu „List of Questions“ führt:
- Ein Dosierungsschema im Modul 1 stimmt nicht mit den im Modul 5 geprüften Daten überein
- Spezifikationen im QOS (2.3) stimmen nicht mit Modul 3 überein
RA muss immer einen vollständigen „Cross-Check“ durchführen.
Phase 3: Einreichung und Review-Prozess
Nach der Erstellung (heute praktisch ausschließlich im eCTD-Format) wird das Dossier über offizielle Portale eingereicht (z. B. CESP in der EU).
Die Review-Phasen:
- Validierung: Technische Kontrolle durch die Behörde
- Bewertung / Clock-Stop: Erste Analyse → List of Questions (LoQ)
- Antworten auf LoQ: RA koordiniert wissenschaftliche und technische Antworten
- Finale Bewertung: Genehmigung, zweite Fragerunde (LoOI) oder Ablehnung
Phase 4: Lifecycle-Management (Variationen & Renewals)
Die Zulassung ist der Anfang, nicht das Ende. Änderungen müssen gemeldet werden:
- Typ IA / IAIN: Kleine Änderungen ohne wesentlichen Einfluss
- Typ IB: Änderungen mit begrenztem Risiko (Benachrichtigung mit Zustimmung)
- Typ II: Große Änderungen (z. B. neue Indikation, Spezifikationsänderungen)
- Line Extensions: Neue Formulierungen oder Präsentationen
Operative CTD/eCTD-Checkliste vor Einreichung
- Kohärenz zwischen Modulen 1, 2 und 3
- Vollständigkeit der Studienberichte gemäß Modulen 4 und 5
- Labeling gemäß QRD-Vorgaben
- Alle notwendigen Erklärungen vorhanden und unterschrieben
- eCTD-Validierung ohne kritische Fehler (EURSvalidator etc.)
Fazit: Das CTD als Präzisionsarbeit
Das CTD/eCTD-Dossier ist ein Werk aus wissenschaftlicher Präzision, Projektmanagement und regulatorischer Strategie.
Jedes Modul muss fehlerfrei und kohärent sein – es bildet die rechtliche und wissenschaftliche Grundlage der Arzneimittelzulassung.
Für detaillierte Checklisten, Beispiel-Antworten für LoQ und komplette Workflow-Templates bietet der „Vollständige Leitfaden zu Regulatory Affairs“ von GuideGxP.com eine unverzichtbare Unterstützung.
