Praxisleitfaden für Abweichungen und CAPA: GMP-gerechtes Management für die QA
Teilen

Abweichungen, CAPA und Change Control: Der Praxisleitfaden für den QA Manager
Einleitung: Der Lebenszyklus der Nichtkonformität
Kein Produktionsprozess ist perfekt – besonders nicht in einem komplexen Umfeld wie der pharmazeutischen Industrie. Abweichungen von Standardverfahren (GMP) passieren. Der Unterschied zwischen einem konformen Unternehmen und einem Unternehmen mit hohem Inspektionsrisiko liegt nicht in der Abwesenheit von Abweichungen, sondern in der strukturierten und konsequenten Art ihrer Bearbeitung.
Der operative Kern des Quality Assurance Managers besteht aus drei miteinander verknüpften Prozessen: dem Abweichungsmanagement, der Umsetzung von CAPA (Corrective and Preventive Actions) und der Überwachung des Change Control. Die Beherrschung dieses Zyklus garantiert nicht nur die Compliance, sondern treibt auch die kontinuierliche Verbesserung gemäß ICH Q10 voran.
Dies ist ein praxisnaher Leitfaden dazu, wie diese drei essenziellen Funktionen orchestriert werden.
Phase 1: Abweichungen managen (Erkennung)
Eine Abweichung ist jede ungeplante Abweichung von einer genehmigten SOP, Spezifikation oder einem GMP-Standard. Der erste Schritt besteht darin, sie kontrolliert zu behandeln.
Schritt 1: Meldung und Reaktionsgeschwindigkeit
Der QA Manager muss eine Kultur schaffen, in der Mitarbeiter keine Angst haben, Fehler zu melden. Die Meldung muss unverzüglich erfolgen.
Schritt 2: Eindämmung und erste Risikoabschätzung
Sobald die Abweichung bekannt ist, muss QA Folgendes tun:
-
Eindämmung: Batch/Material in Quarantäne setzen.
-
Risikobewertung: Einstufung der Abweichung (kritisch/major/minor) basierend auf möglichem Produkt- und Patientensicherheitsrisiko.
Schritt 3: Die Untersuchung (Root Cause Analysis – RCA)
Dies ist der kritischste Schritt – und genau hier finden FDA/EMA die meisten Mängel.
Es reicht nicht aus zu beschreiben, was passiert ist: man muss verstehen, warum es passiert ist.
Häufiger Fehler:
An der „menschlichen Ursache“ stehen bleiben (z. B. „Der Bediener hat einen Fehler gemacht“).
Das ist ein Symptom, keine Ursache.
Korrektes Vorgehen:
Nutzung von RCA-Tools (5-Why, Ishikawa/Fishbone), um tiefer zu analysieren:
- War die SOP unklar?
- War die Schulung unzureichend?
- War die Maschinen-HMI verwirrend?
- Waren Umweltbedingungen ungeeignet?
Eine oberflächliche RCA führt zwangsläufig zu wiederkehrenden Problemen.
Phase 2: CAPA umsetzen (Die Lösung)
Nach der Identifizierung der wahren Ursache definiert und überwacht der QA Manager die CAPA-Maßnahmen.
Schritt 4: Korrekturmaßnahme vs. Vorbeugungsmaßnahme
Korrekturmaßnahme (CA):
Behebt das unmittelbare Problem und seine Ursache.
(Beispiel: SOP überarbeiten und Mitarbeiter erneut schulen.)
Vorbeugungsmaßnahme (PA):
Analysiert, ob das gleiche Problem anderswo auftreten kann – und verhindert dies.
(Beispiel: alle ähnlichen SOP überprüfen; Schulung auf andere Abteilungen ausweiten.)
GMP-Best Practice: Korrektur ≠ Korrekturmaßnahme
Korrektur (Remedy):
Sofortige Aktion, um die Nichtkonformität zu beheben (z. B. „kontaminierte Charge verwerfen“).
Dies behebt nicht die Ursache.
Korrekturmaßnahme:
Beseitigt die Ursache der Nichtkonformität.
Ein Inspektor, der nur Korrekturen sieht, aber keine Korrekturmaßnahmen, erkennt sofort: das Unternehmen „patcht“ Probleme, statt sie zu lösen.
Schritt 5: Der „Schmerzpunkt“ – Der Effectiveness Check
Eine CAPA zu implementieren reicht nicht aus.
Der QA Manager muss eine spätere Wirksamkeitsprüfung planen (z. B. nach 3–6 Monaten), um zu bestätigen:
- dass die CAPA die Ursache wirklich beseitigt hat
- und die Abweichung nicht erneut auftritt.
Eine CAPA ohne Wirksamkeitsprüfung gilt für Inspektoren als unvollständig.
Der parallele Prozess: Change Control
Während Abweichungen ungeplant sind, sind Änderungen geplant. Change Control ist das GMP-System zur Steuerung von Änderungen an Prozessen, Anlagen, Methoden, Lieferanten oder computergestützten Systemen.
Schritt 1: Antrag und Klassifizierung
Ein Change Request wird durch die betroffene Abteilung eingereicht.
QA (oder das Change Control Board) klassifiziert den Change (major/minor).
Schritt 2: Impact Assessment (Multifunktional)
Der QA Manager koordiniert folgende Bewertungen:
- Validierung: Erfordert die Änderung (Re-)Validierung?
- Produktion: Muss die SOP angepasst werden?
- QC: Sind analytische Methoden betroffen?
- Regulatory Affairs: Erfordert die Änderung eine Variation der Zulassung (MA)?
Schritt 3: Genehmigung und Umsetzung
Nach vollständiger Bewertung wird der Change genehmigt und die geplanten Maßnahmen umgesetzt.
Schritt 4: Change Closure
QA bestätigt die vollständige Umsetzung aller Maßnahmen und dokumentiert die formale Schließung des Changes.
Typische Fehler und Umgang mit Nichtkonformitäten
Auf Grundlage realer Fälle lassen sich typische Fehler identifizieren:
Fehler 1: Mangelhafte OOS-Untersuchungen
QC findet ein OOS, wiederholt den Test (oft ungerechtfertigt), bis ein konformes Ergebnis erscheint („testing into compliance“).
Lösung:
Die OOS-SOP muss streng sein.
Die Laboruntersuchung (Phase 1) muss vollständig dokumentiert sein, bevor ein Re-Test erfolgt.
QA muss jede OOS-Invalidierung kritisch prüfen.
Fehler 2: Wiederkehrende CAPA
Der Inspektor sieht im CAPA-System, dass die gleiche Abweichung 20-mal in einem Jahr aufgetreten ist.
Lösung:
Dies zeigt eine fehlgeschlagene RCA.
QA muss Trendanalysen (KPI) nutzen, um systemische Ursachen zu identifizieren und präventive Maßnahmen einzuführen (z. B. Umstieg auf elektronische Batch Records).
Fehler 3: Retroaktives Change Control
Die Produktion implementiert eine Änderung und eröffnet danach den Change Control.
Lösung:
Null Toleranz.
Dies ist ein kritischer GMP-Verstoß.
QA muss eine Abweichung eröffnen und das Personal erneut schulen:
Keine Änderung ohne vorherige QA-Genehmigung.
Fazit: QA als Architekt der Verbesserung
Das Management von Abweichungen, CAPA und Change Control ist der Motor des PQS.
Ein effektiver QA Manager ist kein „Kontrolleur“, sondern ein Architekt:
Er nutzt Fehler (Abweichungen) als Datenquelle für Verbesserungen (CAPA) und steuert die Entwicklung des Systems durch kontrollierte Änderungen (Change Control).
Für praxisnahe Checklisten, Beispiele realer Inspektionsbefunde und Vorlagen für Abweichungsmanagement, RCA und Change Control ist der „Operative Leitfaden für die Rolle des QA Managers“ von GuideGxP.com das unverzichtbare Werkzeug.
